moin zusammen,
im Zusammenhang mit den in letzter Zeit an dieser Stelle häufig gezeigten "Lateinischen" Trachys (Skyphaten) möchte ich gern das Kapitel 3 meines "Petzlaff" Handbuchs von 2006 über die Lateinischen und Bulgarischen Schüsselchen zitieren. Ich hoffe, dass es ein wenig Licht auf diese interessante Periode der mittelalterlichen Münzprägung in Südosteuropa wirft:
---------------------------------
3. Die Skyphatenprägung im frühen 13. Jahrhundert
Die Eroberung von Konstantinopel und Thessaloniki durch die Ritter des 4. Kreuzzuges und die darauf folgende Besatzung einiger Teile des Byzantinischen Reiches (1204 bis 1261) stellte nicht nur eine politische Zäsur in der Geschichte des "oströmischen" Erbes dar, sondern brachte fast den gesamten Balkan in den „Genuss“ einer Art gemeinsamer Währung.
Aber es waren nicht die Venezianer und ihre "verräterischen Lateinischen Vasallen", die das monetäre System der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts diktierten, sondern die Zaren des zweiten bulgarischen Reichs mit Hauptstadt Turnovo, die insbesondere in Thrakien nicht immer friedliche nachbarschaftliche Beziehungen zum Byzantinischen Reich pflegten.
Bereits im letzten Jahrzehnt des 12. Jahrhunderts prägten die Bulgaren Billon-Skyphaten in der Art und der Zeichnung der damals umlaufenden Byzantinischen Schüsselmünzen. Heute werden diese allgemein als "Imitationen" bezeichnet, was in meinen Augen völlig falsch ist. Die Bulgaren imitierten nämlich nicht, sondern versahen ihre Prägungen im Namen der Byzantinischen Kaiser MANUEL I, ISAAK II und ALEXIOS III mit eindeutigen Merkmalen ("Codierung" der Perlen auf den kaiserlichen Gewändern), die niemals auf originalen Byzantinern zu finden sind. Am auffälligsten ist dieses Phänomen bei den Prägungen im Namen ALEXIOS III, auf denen die Gürtelschnalle des St. Constantin deutlich andere Formen als bei den Vorbildern aufweist. Ebenso sind von den Originalen abweichende Kombinationen des Perlenbesatzes in den Gewändern der dargestellten Personen vorhanden.
Möglicherweise wurden um 1200 auch durch die Byzantiner selbst in den nördlichen Provinzen, insbesondere im Thrakischen Grenzgebiet[1] vereinfacht ausgeführte Billon-Skyphaten geprägt, die sich aber nicht eindeutig von den Bulgarischen Prägungen unterscheiden lassen.
Originale und Imitationen vermischten sich wie beispielsweise moderne EURO-Prägungen unterschiedlicher Länder und wurden zur einheitlichen Leitwährung auf dem Balkan.
Die venezianische Schutzmacht der "Lateinischen" Besatzer des Byzantinischen Reiches war gezwungen, sich dieser Währungsunion anzuschließen, um zunächst speziell in Nordgriechenland den Handel mit Bulgarien aufrecht zu erhalten. Die ersten Prägungen der "Lateiner" sind noch weniger als "Imitationen" zu bezeichnen, da die Zeichnungen der Vorbilder nicht nur in winzigen Details gezielt verändert wurden, sondern komplett neue Darstellungen aufweisen. So zeigt zum Beispiel Sear 2021 den MANUEL mit Akakia statt Kreuzglobus, Sear 2022 den Kaiser mit Schwert und Sear 2023 einen thronenden Kaiser - alles Darstellungen, die es im Original nicht gibt. Dass die Münzen der "Lateiner" im Namen der besiegten Kaiserfamilien geprägt wurden muss als Zugeständnis an die Bulgaren gewertet werden, die ja zuvor Byzantinische Münzen als „gutes Geld“ für sich adaptiert hatten[2].
Auch die Exilkaiser in Nikäa prägten nach dem "Balkanstandard".Interessant, dass es zwei Verträge zwischen Venedig und Nikäa gab (1214? und 1219), die die Imitation von Münzen des einen durch den anderen Vertragspartner verbot.
In Folge dieser "Münzunion" überfluteten Millionen von Skyphaten nach Byzantinischem Vorbild den Balkan. Die Folge war eine gigantische Inflation, welche die Bulgaren veranlasste, alle in ihrem Hoheitsgebiet umlaufenden Münzen inGewicht und Feingehalt (zuletzt bis auf unter 0,5% Silberanteil) zu reduzieren. Die Gewichtsreduzierung wurde durch Beschneiden vorgenommen. Neuausgaben wurden zudem zunehmend auf immer kleineren Schrötlingen ausgeprägt. Offenbar nutzten auch Privatleute, wie z.B. Goldschmiede die Gelegenheit der Beschneidung, um kostengünstig an, wenn auch nur geringe Mengen, Edelmetall zu gelangen. Zu Münzen geprägte Edelmetalle fehlen in der ersten Hälfte des 13.Jahrhundert.
Die Folge ist erstaunlich: Die venezianische Finanzmacht reagierte darauf, indem sie ebenfalls ihre Prägungen durch Beschneiden oder verkleinerte Münzen reduzierte. Es existieren auch Übergangsprägungen auf mittelgroßen Schüsseln. Aus der Tatsache, dass sich zwischen den unterschiedlich groß ausgeprägten Münzen keine auf den ersten Blick erkennbaren Zeichnungsunterschiede feststellen lassen, muss man schließen, dass es sich bei den "small module" Skyphaten um den gleichen Nennwert wie bei den "large modules" handelt und nicht um Teilstücke des Aspron Trachy Nominal. Die venezianischen Kleinformate kommen mit eigenen verkleinerten Darstellungen daher, die sich stilistisch von den "großen Brüdern" stark unterscheiden.
Viele Historiker, insbesondere aus Südosteuropa (Yordanov[3], Penchev[4]) wagen (recht überzeugend) die These, dass ein großer Teil der späten "small module"-Typen nicht in Konstantinopel, sondern in Ragusa, dem heutigen Dubrovnik geprägt wurden, als Thessaloniki durch die Nikäer 1224 zurückerobert wurde und der Niedergang der "Lateiner" zu Byzanz sich immer stärker abzeichnete. Schließlich bildete Ragusa den wichtigsten handelspolitischen Brückenkopf für Venedig auf dem Balkan und für die Venzianer verlor das immer stärker kränkelnde Protektorat "Byzanz" zunehmend an politischem Interesse.
Die kleinformatigen "Lateinischen" Thessaloniki-Typen (Sear 2047-2049) wurden nach Ansicht von Penchev nach 1224 in Konstantinopel weitergeprägt, um die Kreuzritter-Vasallen in ihrer letzten Zeit noch ein wenig am Handel mit Bulgarien teilhaben zu lassen.
1261 übernahm schließlich die Dynastie der Paläologen die Macht in Konstantinopel, um das Reich wieder in Byzantinische Bahnen zu lenken. Monetär hatten sie in der Folgezeit allerdings nicht viel zu bieten, außer einer Unzahl von kaum identifizierbaren zerbrochenen Schüsseln und der späteren Adaption mitteleuropäischer Silbergroschen.
Über die zeitliche Abfolge der unterschiedlichen „Lateinischen“ Emissionen gibt es zahlreiche divergierende Spekulationen. Dieses Buch erhebt nicht den Anspruch, sich diesbezüglich in die kontroversen Argumentationen einzumischen, sondern folgt weitestgehend der Theorie Hendys. Wo es mir aus politisch historischer Sicht geraten erscheint, folge ich ansatzweise der Bulgarischen Darstellungsweise, die z.B. von Penchev und Yordanov vertreten wird. Auf diese Weise hoffe ich der Kritik zu entgehen, einseitig die osteuropäische Sichtweise zu ungunsten der Forschungsergebnisse von Hendy und Metcalf zu verfälschen. Letztere unterscheiden sich weniger in der Diskussion um den Ausgabezeitraum einzelner Münzen, sondern um deren Herkunft.
[1] s. Kommentare Hendy’s in DOC IV
[2] V. Penchev, “A Hoard of Copper (Billon) Scyphati from the first half of the 13th Century found near Petrich”, Agato Publ. Sofia, 2003
[3] Yordanov, „Coins and Circulation of Coins in Bulgaria of the Middle Ages 1081-1261”
[4]V. Penchev, “A Hoard of Copper (Billon) Scyphati from the first half of the 13th Century found near Petrich”, Agato Publ. Sofia, 2003
----------------------------------------------------
LG, Stefan
im Zusammenhang mit den in letzter Zeit an dieser Stelle häufig gezeigten "Lateinischen" Trachys (Skyphaten) möchte ich gern das Kapitel 3 meines "Petzlaff" Handbuchs von 2006 über die Lateinischen und Bulgarischen Schüsselchen zitieren. Ich hoffe, dass es ein wenig Licht auf diese interessante Periode der mittelalterlichen Münzprägung in Südosteuropa wirft:
---------------------------------
3. Die Skyphatenprägung im frühen 13. Jahrhundert
Die Eroberung von Konstantinopel und Thessaloniki durch die Ritter des 4. Kreuzzuges und die darauf folgende Besatzung einiger Teile des Byzantinischen Reiches (1204 bis 1261) stellte nicht nur eine politische Zäsur in der Geschichte des "oströmischen" Erbes dar, sondern brachte fast den gesamten Balkan in den „Genuss“ einer Art gemeinsamer Währung.
Aber es waren nicht die Venezianer und ihre "verräterischen Lateinischen Vasallen", die das monetäre System der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts diktierten, sondern die Zaren des zweiten bulgarischen Reichs mit Hauptstadt Turnovo, die insbesondere in Thrakien nicht immer friedliche nachbarschaftliche Beziehungen zum Byzantinischen Reich pflegten.
Bereits im letzten Jahrzehnt des 12. Jahrhunderts prägten die Bulgaren Billon-Skyphaten in der Art und der Zeichnung der damals umlaufenden Byzantinischen Schüsselmünzen. Heute werden diese allgemein als "Imitationen" bezeichnet, was in meinen Augen völlig falsch ist. Die Bulgaren imitierten nämlich nicht, sondern versahen ihre Prägungen im Namen der Byzantinischen Kaiser MANUEL I, ISAAK II und ALEXIOS III mit eindeutigen Merkmalen ("Codierung" der Perlen auf den kaiserlichen Gewändern), die niemals auf originalen Byzantinern zu finden sind. Am auffälligsten ist dieses Phänomen bei den Prägungen im Namen ALEXIOS III, auf denen die Gürtelschnalle des St. Constantin deutlich andere Formen als bei den Vorbildern aufweist. Ebenso sind von den Originalen abweichende Kombinationen des Perlenbesatzes in den Gewändern der dargestellten Personen vorhanden.
Möglicherweise wurden um 1200 auch durch die Byzantiner selbst in den nördlichen Provinzen, insbesondere im Thrakischen Grenzgebiet[1] vereinfacht ausgeführte Billon-Skyphaten geprägt, die sich aber nicht eindeutig von den Bulgarischen Prägungen unterscheiden lassen.
Originale und Imitationen vermischten sich wie beispielsweise moderne EURO-Prägungen unterschiedlicher Länder und wurden zur einheitlichen Leitwährung auf dem Balkan.
Die venezianische Schutzmacht der "Lateinischen" Besatzer des Byzantinischen Reiches war gezwungen, sich dieser Währungsunion anzuschließen, um zunächst speziell in Nordgriechenland den Handel mit Bulgarien aufrecht zu erhalten. Die ersten Prägungen der "Lateiner" sind noch weniger als "Imitationen" zu bezeichnen, da die Zeichnungen der Vorbilder nicht nur in winzigen Details gezielt verändert wurden, sondern komplett neue Darstellungen aufweisen. So zeigt zum Beispiel Sear 2021 den MANUEL mit Akakia statt Kreuzglobus, Sear 2022 den Kaiser mit Schwert und Sear 2023 einen thronenden Kaiser - alles Darstellungen, die es im Original nicht gibt. Dass die Münzen der "Lateiner" im Namen der besiegten Kaiserfamilien geprägt wurden muss als Zugeständnis an die Bulgaren gewertet werden, die ja zuvor Byzantinische Münzen als „gutes Geld“ für sich adaptiert hatten[2].
Auch die Exilkaiser in Nikäa prägten nach dem "Balkanstandard".Interessant, dass es zwei Verträge zwischen Venedig und Nikäa gab (1214? und 1219), die die Imitation von Münzen des einen durch den anderen Vertragspartner verbot.
In Folge dieser "Münzunion" überfluteten Millionen von Skyphaten nach Byzantinischem Vorbild den Balkan. Die Folge war eine gigantische Inflation, welche die Bulgaren veranlasste, alle in ihrem Hoheitsgebiet umlaufenden Münzen inGewicht und Feingehalt (zuletzt bis auf unter 0,5% Silberanteil) zu reduzieren. Die Gewichtsreduzierung wurde durch Beschneiden vorgenommen. Neuausgaben wurden zudem zunehmend auf immer kleineren Schrötlingen ausgeprägt. Offenbar nutzten auch Privatleute, wie z.B. Goldschmiede die Gelegenheit der Beschneidung, um kostengünstig an, wenn auch nur geringe Mengen, Edelmetall zu gelangen. Zu Münzen geprägte Edelmetalle fehlen in der ersten Hälfte des 13.Jahrhundert.
Die Folge ist erstaunlich: Die venezianische Finanzmacht reagierte darauf, indem sie ebenfalls ihre Prägungen durch Beschneiden oder verkleinerte Münzen reduzierte. Es existieren auch Übergangsprägungen auf mittelgroßen Schüsseln. Aus der Tatsache, dass sich zwischen den unterschiedlich groß ausgeprägten Münzen keine auf den ersten Blick erkennbaren Zeichnungsunterschiede feststellen lassen, muss man schließen, dass es sich bei den "small module" Skyphaten um den gleichen Nennwert wie bei den "large modules" handelt und nicht um Teilstücke des Aspron Trachy Nominal. Die venezianischen Kleinformate kommen mit eigenen verkleinerten Darstellungen daher, die sich stilistisch von den "großen Brüdern" stark unterscheiden.
Viele Historiker, insbesondere aus Südosteuropa (Yordanov[3], Penchev[4]) wagen (recht überzeugend) die These, dass ein großer Teil der späten "small module"-Typen nicht in Konstantinopel, sondern in Ragusa, dem heutigen Dubrovnik geprägt wurden, als Thessaloniki durch die Nikäer 1224 zurückerobert wurde und der Niedergang der "Lateiner" zu Byzanz sich immer stärker abzeichnete. Schließlich bildete Ragusa den wichtigsten handelspolitischen Brückenkopf für Venedig auf dem Balkan und für die Venzianer verlor das immer stärker kränkelnde Protektorat "Byzanz" zunehmend an politischem Interesse.
Die kleinformatigen "Lateinischen" Thessaloniki-Typen (Sear 2047-2049) wurden nach Ansicht von Penchev nach 1224 in Konstantinopel weitergeprägt, um die Kreuzritter-Vasallen in ihrer letzten Zeit noch ein wenig am Handel mit Bulgarien teilhaben zu lassen.
1261 übernahm schließlich die Dynastie der Paläologen die Macht in Konstantinopel, um das Reich wieder in Byzantinische Bahnen zu lenken. Monetär hatten sie in der Folgezeit allerdings nicht viel zu bieten, außer einer Unzahl von kaum identifizierbaren zerbrochenen Schüsseln und der späteren Adaption mitteleuropäischer Silbergroschen.
Über die zeitliche Abfolge der unterschiedlichen „Lateinischen“ Emissionen gibt es zahlreiche divergierende Spekulationen. Dieses Buch erhebt nicht den Anspruch, sich diesbezüglich in die kontroversen Argumentationen einzumischen, sondern folgt weitestgehend der Theorie Hendys. Wo es mir aus politisch historischer Sicht geraten erscheint, folge ich ansatzweise der Bulgarischen Darstellungsweise, die z.B. von Penchev und Yordanov vertreten wird. Auf diese Weise hoffe ich der Kritik zu entgehen, einseitig die osteuropäische Sichtweise zu ungunsten der Forschungsergebnisse von Hendy und Metcalf zu verfälschen. Letztere unterscheiden sich weniger in der Diskussion um den Ausgabezeitraum einzelner Münzen, sondern um deren Herkunft.
[1] s. Kommentare Hendy’s in DOC IV
[2] V. Penchev, “A Hoard of Copper (Billon) Scyphati from the first half of the 13th Century found near Petrich”, Agato Publ. Sofia, 2003
[3] Yordanov, „Coins and Circulation of Coins in Bulgaria of the Middle Ages 1081-1261”
[4]V. Penchev, “A Hoard of Copper (Billon) Scyphati from the first half of the 13th Century found near Petrich”, Agato Publ. Sofia, 2003
----------------------------------------------------
LG, Stefan